Freitag, 10. August 2012

DNP-Auflösungserklärung

DNP
*01.01.2011 – †10.08.2012

Es geschah zu Beginn des Jahres 2011, als ich mich dazu berufen fühlte die deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenbranche zu attackieren. Weichgespült vom Boulevardjournalismus der Springer Publikationen, vertretend durch die Bild-Zeitung, mit einhergehendem Arrangement der Alice Schwarzer im Fall Kachelmann, brachten für mich das Fass endgültig zum Überlaufen. Was zunächst in der Idee wurzelte ein Männermagazin zu publizieren und einen Gegenspieler zu Alice Schwarzer darzustellen, entwickelte sich kurze Zeit später als studentisches Politmagazin. Inspiriert durch die Härte und Kompromisslosigkeit der Larry Flynt Publications (LFP), diente mir mein publizistische Vorbild zur Adaption bei der Namenswahl meines Magazins. DNP wurde geboren.

Heute, 20.Monate später, wird das Projekt DNP beendet.

Angetreten sind wir mit dem Ziel eine freie und unabhängige Presseberichterstattung zu gewährleisten. Die Leidenschaft für Print-Publikationen brachte einen kleinen Kreis von Schreibern zusammen, die ihre Vision vom ewig-lebenden Untergrundmagazin wahr werden lassen wollten. Gleichermaßen wollten wir unsere Leitmotive ehrlich-direkt-polarisierend nach bestem Gewissen vertreten. Das gelang an manchen Stellen gut, an anderen weniger.

Die Anfänge
Mit wöchentlichen Blogbeiträgen zum politischen Geschehen, äußerte sich das Redakteursteam sehr kritisch gegenüber dem Arrangement zwischen Alice Schwarzer und der Bild-Zeitung, man sprach sich gegen ein NPD-Verbotsverfahren aus und rechtfertigte Panzer-Lieferungen (Leopard 2) nach Saudi Arabien. Das alles geschah nicht mit der Absicht vorgefertigte Ideologien zu repräsentieren und ein politisches Spektrum zu vertreten, sondern für ein breit gefächertes und polarisierendes Meinungsspektrum, abseits des Mainstreams, zu sorgen und einzutreten. DNP konnte sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen erstklassige Journalisten in das Team zu holen und zu bezahlen. Der ideologische Wert unserer Beiträge war bei weitem wichtiger als ein journalistisch einwandfreier Text – viele haben das leider in ihrer Beurteilung nicht gesehen. Die Rechenschaft über geschriebene Inhalte, waren sich die Redakteuere selbst schuldig. Das betrifft sowohl die freie Themenauswahl, als auch die Art der Darstellung. Weg von redaktionellen Leitsätzen, gab es nur drei Fragmente, die in jedem Artikel wiederzuerkennen sein sollten: ehrlich-direkt-polarisierend.

Das erste Heft
Im Mai 2011 folgte dann die erste Print-Publikation (Der Kampf um die Meinungsfreiheit – von Larry Flynt bis Julian Assange) mit einer Auflage von 100 Exemplaren. Schnell wurde die erste Ausgabe zum Kultobjekt. Nicht zuletzt wegen der Schwarzer-Debatte im Zusammenhang mit der Kachelmann-Affäre, schaffte DNP den Durchbruch. In diesem Artikel spiegelte sich genau das wieder, wofür DNP stehen wollte. Sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und den Text an die Grenzen des erträglichen zu formulieren. Die erste Erleichterung setzte ein. Doch in den darauf folgenden Monaten klaffte immer wieder eine große Spanne zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bis dahin war DNP ein geerdetes Magazin, jenseits von Verpflichtungen und gesellschaftlichen Normen. Doch der zunehmende Druck von außen und die große Erwartungshaltung was das zweite Heft betraf, schienen zu groß zu sein. Die Messlatte die wir uns selbst auferlegt hatten, schien nicht mehr zu überspringen zu sein.

Der zweite Anlauf
Kurz bevor DNP in sich implodierte, kam neue Unterstützung von außen. Der Blog kam wieder ins Rollen und erreichte über ein halbes Jahr lang 900 Seitenaufrufe pro Monat. Die Signale wurden von allen vernommen und schon bald formierte sich ein neues Team, auch mit altbekannten Gesichtern, das im Mai 2012 die zweite Print-Ausgabe (Die Afghanistan-Lüge) der DNP veröffentlichte. Das Feedback hielt sich in Grenzen, genauso wie die Verkaufszahlen. Spätestens jetzt wurde klar, dass der zeitliche Aufwand und die Begeisterung nicht mehr ausreichen würden, um das Magazin professioneller zu führen und es auf die nächste Ebene zu heben. Und das Projekt noch weiter künstlich am Leben zu erhalten, wäre unserer nicht würdig gewesen. Deshalb halten wir es lieber getreu nach Kurt Cobain: It's better to burn out than to fade away.
Deutschlands erstes und einziges Polit-Untergrundmagazin ist Geschichte.

Was bleibt?
Neben einigen noch nicht verkauften Heften wird von DNP wohl wenig, außer der Gewissheit übrig bleiben, dass die ideellen Werte von DNP immer im Vordergrund standen und diese auch gleichzeitig ein Band zwischen allen Beteiligten geschmiedet haben. Die Erfahrung die uns durch dieses Heft eint, kann uns niemand mehr nehmen. Vielleicht wird man sich in 10. oder 20. Jahren das Heft hervorholen und demütig, aber mit einem leichten lächeln, an diese Zeit zurückdenken.

Nachwort
Ich möchte allen Danken, die aktiv bei DNP mitgewirkt und publiziert haben. Auch allen Unterstützern, sei es finanziell oder ideell, möchte ich meinen Respekt aussprechen. Ihr habt DNP erst so weit getragen und zu dem gemacht was es war.

Zum Schluss möchte ich noch einigen Wegbegleitern speziell danken.
Noch bevor das erste DNP Heft fertig gedruckt war, gab mir das studentische hsf-Radio die Chance Werbung für mein Magazin zu machen. Dabei lernte ich Aaron Thieme kennen, der seit diesem Interview beim ISWI Talk ein wertvoller Input für DNP geworden ist.
Benjamin Schaller, den ich durch das Studium kennenlernte, war von der ersten Stunde an dabei und war, nicht zuletzt durch seine wertvollen und regelmäßigen Beiträge, ein konstanter Eckpfeiler bei DNP.
Ebenfalls danken möchte ich Nino Zebiri. Trotz der geographischen Entfernung hatte ich nie bedenken, dass ich mich auf Dich und Deine qualitativ sehr guten Auslandsbeiträge, verlassen kann.
Danke für Eure Hingabe und Freundschaft!

Venceremos!
Denny Neidhardt

Donnerstag, 19. Juli 2012

DNP Imagefilm + Zeitungsartikel + Homepage

Im Rahmen des Medienprojekts wurde ein DNP Imagefilm erstellt. Ein Dank gilt dem Produktionsteam um A.Reuther, M. Benß und B. Schaller.


Benjamin Schaller mit einem Artikel über DNP in der Thüringer Allgemeinen (TA):
http://ilmenau.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Ilmenauer-Student-als-Verleger-563886792

DNP ist jetzt auch mit einer neuen Homepage. In welchem Rahemn auf dem Blog oder der Homepage publiziert wrd, steht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht fest. http://dnp-magazin.de.vu/
Unten rechts befindet sich ein Banner, wo ihr die aktuelle Ausgabe der DNP online bestellen könnt!

Eure Meinungen zum medialen Aufrüsten sind in den Kommentaren gerne gesehen.

Venceremos,
No Excuses

Sonntag, 6. Mai 2012

Sport im Krisenherd? Differenzierung notwendig!


Die EU-Kommission um José Manuel Barroso hat ihren EM-Boykott bereits bekannt gegeben, deutsche Politiker behalten sich nach wie vor zumindest dessen Androhung vor. Die Haftbedingungen der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko erregen momentan die politischen wie medialen Gemüter, der inhaftierten Oppositionsführerin wird eine Aufmerksamkeit geschenkt, die sie – da sind sich selbst die Protestierenden einig – ohne die Fußball-EM keinesfalls bekäme. Menschenrechtsverletzungen geschehen nach wie vor bei weitem nicht nur in der Ukraine, für unsere westliche Welt scheinen sie aber lediglich dann in den Fokus zu rücken, wenn gerade ein großes Sportereignis im betreffenden Land stattfindet.

Es ist jedoch eine Differenzierung notwendig: Es gibt Fälle, in denen diktatorische Machthaber den Sport instrumentalisieren und zu Propagandazwecken einsetzen – historisch bestes Beispiel ist Olympia 1936, aus der jüngeren Vergangenheit ist das Formel 1 Rennen in Bahrain zu nennen. Die Situation in der Ukraine hat einen anderen Kontext. Die Europameisterschaft und die Vorgänge um Tymoschenko scheinen sich eher aus Zufall zu überschneiden, es drängt sich der Anschein auf, als sei Präsident Janukowytsch das turnierbedingte Augenmerk ganz und gar nicht recht. Insofern bewerte ich es durchaus positiv, dass durch das Sportereignis ein kritischer Blick auf die Situation in diesem Land geworfen wird – im Gegensatz zur Formel 1 in Bahrain, die sich zum Propagandawerkzeug des regierenden Monarchen hat stilisieren lassen.
Ob die mediale/politische Aufmerksamkeit und Boykottankündigen allerdings wirklich positiven Einfluss auf die ukrainische Diktatur nehmen wird, ist eine andere Frage. Und warum die öffentliche Wahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen so häufig vom Sport gelenkt werden muss, ebenso.


Benjamin Schaller

Montag, 23. April 2012

Lasst uns die Macht übernehmen


François Hollande war der strahlende Sieger des ersten Wahlgangs um das Präsidentenamt in Frankreich. Mit annähernd 29% fuhr er einen symbolisch wichtigen Erfolg ein und ebnete sich somit den Weg für eine absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

Der wahre Sieger des ersten Urnengangs hieß jedoch Jean-Luc Mélenchon. Seine Kandidatur für die Linksfront kostete der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen entscheidende Stimmen im Arbeiterlager, die sie auf Augenhöhe mit Hollande und Sarkozy gebracht hätte. Als abtrünniger Sozialist der seine eigene Partei gründete, schaffte er es bei seiner ersten Wahl direkt auf 11,7%, die im Vergleich zu den ihm vorhergesagten 15% als enttäuschend wenig erscheinen. Kein anderer Kandidat hat es jedoch geschafft im französischen Wahlkampf mehr zu polarisieren. Mehr als 200.000 Anhänger konnte er für seine Rede am historisch symbolträchtigen Place de la Bastille versammeln. Sarkozy und Hollande kamen bei ihren Auftritten in Paris auf je weniger als 100.000. Er nahm das Programm von Marine Le Pen wie kein anderer Kandidat auseinander und offenbarte ihre Schwächen, gleichzeitig stellte er seine Kontrahentin so sehr bloß, dass diese sich in einem Rededuell im französischen Fernsehen vor laufenden Kameras weigerte mit ihm weiter zu diskutieren. Moderatoren warf er bei unbequemen Fragen vor ihm nicht richtig zuzuhören, oder er beantwortete diese mit bissigem Sarkasmus.

Sein Programm lässt sich in drei Punkten zusammenfassen: Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen das internationalen Finanzsystem und für das Inkrafttreten einer neuen Verfassung. Seine Parolen wie „Lasst uns die Macht übernehmen“, oder „Platz für das Volk“ überzeugten die Wähler, die in einigen Départements mit 23% für ihn stimmten. Somit konnten zum ersten Mal seit 1981 wieder zwei Kandidaten der Linken auf ein Wahlergebnis von über 10% kommen. Damals war es der Kandidat der Kommunistischen Partei, die später eine Regierung mit den Sozialisten unter Mitterrand bildete.

Am Wahlabend zeigte sich Jean-Luc Mélenchon kämpferisch. Er habe recht behalten mit der Wichtigkeit seiner Kampagne gegen Marine Le Pen. Nun müsse die Linksfront ihren Weg fortsetzen und ihre gewonnene Macht gegen ein von Merkel und Sarkozy dominiertes Europa und für mehr Einkommensgleichheit einsetzen. Abschließend rief er seine Wähler auf sich für François Hollande zu mobilisieren, wie sie es für ihn getan hätten. Das Ende der Herrschaft des Regenten Sarkozy?

Nino Zebiri

Donnerstag, 12. April 2012

Afrika feiert Sambias Wiederauferstehung


Es war der 27.April 1993 als ein Flugzeug nahe Gabun in den atlantischen Ozean stürzte. Ein tragischer Unfall, der afrikaweit für Aufsehen sorgte. Denn an Bord befanden sich 18Nationalspieler Sambias und Verbandsfunktionäre auf dem Weg zum Auswärtsspiel im Senegal. In Libreville, der Hauptstadt Gabuns, wurde das Flugzeug noch aufgetankt und versank, nachdem ein Triebwerk Feuer fing, kurz darauf im Meer.

Am 12.Februar 2012 stand erneut Sambias Nationalmannschaft in jenem Libreville im Mittelpunkt: sie holte 19 Jahre nach dem "Gabon Air Disaster" erstmals den kontinentalen Titel. Der Sport schrieb schon immer seine eigenen Geschichten, aber diese ist definitiv einzigartig. Dabei ging Sambia als Underdog in das Turnier, schlug im Turnierverlauf die Favoriten Ghana (Halbfinale) und die Elfenbeinküste (Finale). Letztere in einem dramatischen Elfmeterschießen. Klingt nach einem kleinen Fußballwunder, sah aber ganz anders aus als Griechenlands Euro-Helden 2004. Ganz einfach zu sehen an einem kleinen Beispiel: es läuft das Elfmeterschießen im Finale -die Situation größter Anspannung und Nervosität. Die Spieler stehen - für gewöhnlich - unruhig am Mittelkreis und wissen nicht wohin mit sich. Sambias Spieler knieten im Mittelkreis, sangen Arm in Arm gemeinsam als ihr Mannschaftskollege zum alles entscheidenden Strafstoß anlief.

Kurz darauf singt ganz Sambia: Glaube, Gefühle und so etwas wie "Spirit" liegt in Afrika nicht nur beim Fußball in der Luft. Ihr Trainer Herve Renard, als Franzose eigentlich nicht besonders nah dran am afrikanischen Lebensgeist, trägt seinen verletzten Spieler Joseph Musonda zum Spielerkreis, der mal wieder in einen der rhythmischen Lieder ihrer Heimat vertieft ist und für das Wunder von Libreville dankt. Bilder, die nicht um die ganze Welt gehen, obwohl EuroSport das Duell live überträgt. Aber Afrika ist fernab und was dort passiert, sei es im Sport, der Kultur oder der Politik flimmert nur selten über die deutschen Fernseher.

Bestes Beispiel ist Finalgegner Elfenbeinküste. Im Frühjahr brauchte es ein halbes Jahr Mord und Totschlag, bis die Präsidentschaftswahl ein paar Zeilen am Rande des deutschen Blätterwaldes bekam. Währenddessen bangte man doch zu sehr mit den Ölvorkommen in Nordafrika und den beliebten Reisezielen am Nil und dem Mittelmeer. "Was scheren mich ein paar erschossene Farbige, wenn uns die Araber auf Lampedusa die (europäische) Tür einrennen?", so schien der Medien-Tenor zu lauten. Über so gut wie alle politischen Vorgänge Afrikas ist bestenfalls ein Dreizeiler in den größten Tageszeitungen zu finden, während jeder Schachzug bei der Kandidatenkür für die Präsidentschaftswahl der USA eine Sondersendung fordert. Dabei ist zum Beispiel Gabun, gemeinsam mit Äquatorialguinea Ausrichter des Afrika-Cups 2012, 1000km näher an Deutschland als Washington DC. Es leben mehr als doppelt so viele Afrikaner, knapp eine halbe Million, wie

US-Amerikaner in der Bundesrepublik.

Es scheint fast ein ganzer Kontinent verdammt dazu, mit Ignoranz des Westens gestraft zu werden und lediglich alle zwei Jahre zum African Cup of Nations seine Seele ein paar versprengten Fußballbegeisterten zu öffnen. Wir verpassen einen überaus lebendigen Kulturkreis. Wer doch etwas mehr als nur BBC-Dokumentationen der Serengeti erfahren will, muss in alternativen Programmen suchen. Seit Jahren sendet z.B. der freie, nicht kommerzielle Rundfunksender "Radio Frei" aus Erfurt aller zwei Wochen eine Sendung mit dem passenden Namen "African Spirit"; von Afrikanern für alle Interessierten.

Durch die Umstellung von gerade auf ungerade Jahre findet der nächste Afrika-Cup bereits 2013 in Südafrika statt. Und da bleibt genug Zeit bis zum 13.Januar, um mehr über unseren Nachbarkontinent zu erfahren. Denn Afrika ist nicht bloß "Waka, waka". Sambias Landeshauptstadt hat fast so viele Einwohner wie München, doch wer kennt hierzulande ihren Namen?



Aaron Thieme

Samstag, 31. März 2012

Wachstum statt Moral?

Wenn man sich einmal für eine Bank entschieden hat, ist diese Beziehung oft stabiler als so manche Ehe. Trotzdem sollte man hin und wieder prüfen, ob man noch glücklich mit ihr ist. Denn die Antwort lautet nein – falls man Kunde der Deutschen Bank ist.


Auf der Vollversammlung der Deutschen Bank sorgte Barbara Happe 2011 für Aufsehen. Die Aktionärin und Vertreterin des Naturschutzverbandes urgewald e.V. klagte dort die Unternehmenspolitik des Bankhauses an, genauer: Sie klagte über Beteiligungen an Geschäften mit international geächteten Streubomben. Um die Aussage zu unterstreichen, sprach ein verkrüppelter Mann, selbst Streubombenopfer aus Serbien, vor den versammelten Gesellschaftern. Der Auftritt zeigte Wirkung. Josef Ackermann versprach schließlich im November letzten Jahres, man werde die Geschäfte mit den betreffenden Waffenherstellern einstellen.


Ist das schon Grund genug, die Bank zu wechseln? Vielleicht nicht, sieht es doch nach einem Erfolg, nach einer Änderung in der Unternehmenspolitik aus. Die Finanzierung von Streubomben ist allerdings nicht der einzige Fleck auf der weißen Weste der Deutschen Bank. Es kommen noch eine Reihe weiterer verwerflicher Geschäfte hinzu. Ganz abgesehen davon, dass die Deutsche Bank ihr Versprechen gebrochen hat und neue Geschäfte mit Streubombenherstellern einging (was Ackermann öffentlich frech leugnete), bleiben Beteiligungen am Waffenhandel mit Diktatoren, am schmutzigen Abbau von Uranerz in Südafrika und an moralisch verwerflichen Spekulationen auf Lebensmittel unerwähnt.


Wie verteidigt das die Deutsche Bank? Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, ließ dazu auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden vernehmen: „Wer will denn schon kein Wachstum?“ Die Legitimation liegt also – nach der sterbenden marktliberalen Logik – beim Kunden, dessen Wünsche erfüllt werden sollen. Die Deutsche Bank? Unschuldig.


Fitschen unterstreicht diesen Wahnsinn, indem er dem Kunden die Pistole auf die Brust setzt: Wer sich nicht aktiv und aus eben solchen Gründen vom Unternehmen abwende, sei offensichtlich einverstanden mit der Unternehmenspolitik.


Die Entscheidung, wirklich etwas zu ändern, liegt letztlich also wirklich beim Kunden der Deutschen Bank. Bei ihm liegt auch die Verantwortung, ja sogar die Pflicht, sich zu informieren, was er mit seinem Geld unterstützt.
Wenn dieser sich nun die Frage stellt, ob er die Bank wechseln soll, so findet er die Antwort beispielsweise bei der GLS-Bank. Deren Slogan: Die Verantwortung fürs Geld kann man am Bankschalter abgeben, muss man aber nicht.


Florian Sulies

Montag, 26. März 2012

Drei Warnschüsse

Eine Wahl in einem Bundesland wie dem Saarland als repräsentativen Trendmesser zu bezeichnen, wäre sicher wenig sachgemäß. Dennoch lassen sich an der gestrigen Abstimmung des Wahlvolkes rund um Saarbrücken Tendenzen ablesen, die auch für das überregionale Politgeschehen alles andere als irrelevant sind. Mir fallen speziell drei Parteien ein, denen man raten sollte, den gestrigen Warnschuss nicht zu überhören:

  • Der Absturz der FDP setzt sich fort. Trotz der Durchhalteparolen von Wolfang Kubicki sollten sich die jetzigen liberalen Landtagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen langsam, aber sicher nach Jobalternativen umsehen. Eine Kennziffer, die das desaströse Abschneiden versinnbildlicht, ist jene, dass mit 2,1 % mehr ungültige Stimmen abgegeben wurden als die 1,2 %, die von der FDP mobilisiert werden konnten.
  • Der Höhenflug der Grünen hat dagegen einen Dämpfer erhalten. Nur knapp in den Landtag gerettet, gilt es nun, die positive Stimmung grüner Politik gegenüber noch bis zur kommenden Bundestagswahl zur erhalten. Dann könnte es im Bund zu einer Neuauflage der rot-grünen Wunschkoalition kommen. Als warnendes Beispiel sollte man sich stets den liberalen Niedergang vor Augen halten: Wer hoch fliegt, kann tief fallen – gerade, wenn das Schweben in luftiger Höhe Neuland darstellt.
  • Nach Berlin schaffen es die Piraten in einen weiteren deutschen Landtag einzuziehen. Auch für die kommenden Wahlen lassen die Prognosen Optimismus zu. Dennoch ist Vorsicht geboten: Eine solch junge Partei besitzt keinen festen Wählerstamm, sondern bezieht ihre Stimmung vor allem von bisherigen Nicht- und Wechselwählern. Piratenwählen scheint momentan Mode zu sein, verfehlt die Partei aber eine deutlichere Profilierung, könnte dem schnell wieder ein Ende gesetzt werden. Die Chance, sich wie einst die Grünen langfristig in der Parteienlandschaft zu etablieren, ist vorhanden – lässt man sie verstreichen, kommt sie so schnell nicht wieder, was einen Platz als One-Hit-Wonder in den Geschichtsbüchern zur Folge hätte.

Dienstag, 21. Februar 2012

Wulff weg, Gauck da - und jetzt?

66 Tage hat es gedauert bis Christian Wulff endlich den Platz geräumt hat. Endlich? Über 2 Monate durfte man sich anhören, welch infame und schwerwiegende Verfehlungen unser Staatsoberhaupt sich geleistet hat. Auch wenn investigative ZDF-Größen wie Bettina Schausten immer noch entsetzt sind, wieso man seine Freunde, ohne 150€ inklusive Rechnung, bei sich übernachten lassen kann, fragt man sich, wie man über 2 Monate über so ein banales Thema wie Wulff und seine Finanzen berichten kann.

Euro-Krise und antideutsche Proteste in Griechenland sind auf einmal ganz weit weg. Selbst ein gestrandetes Kreuzfahrtschiff reißt 2012 mehr Leute vom Hocker, während in Haiti 26 Menschen unbemerkt unter viel tragischeren Umständen ums Leben kommen. Haiti ist eben auch weit, weit weg. Selbst Talkshow-Größen wie Maybrit Illner schien es langsam peinlich zu sein am Donnerstagabend mal wieder eine Runde, mit den stets gleichen Meinungen, mit dem altbewährten Thema zu eröffnen. Doch 2 Monate Wulff-Bashing war medial wieder eine große Fußball-WM - Fokussierung der Masse auf eine Nebensächlichkeit. Allerdings ist eines der größten Sportveranstaltungen der Welt gegen Wulffs Bobby-Car-Skandale vergleichsweise berichtenswert.

Nun soll es Joachim Gauck also richten, der nicht wegen seiner persönlichen Qualitäten mittlerweile Kandidat (fast) aller Parteien ist. Stattdessen nutzt man die Nominierung des Bundespräsis, um die eigene Stellung im Bundestag bzw. der nächsten Wahl zu festigen. Ein größeres Armutszeugnis hätte Burgwedels Baumeister seinem ehemaligem Amt nie ausstellen können.

Wie lange wird es Gauck nun machen? Falls er sich, wie einst Wulff, aufs Glatteis begibt und den Islam tatsächlich als Bestandteil Deutschlands integrieren will, liegt wohl Plan B schon in der Tasche. Dann werden seine positiven Äußerungen über Sarrazin oder die Fehlinformationen seiner Stasi-Behörde gegenüber dem deutschen Bundestag anno 1997 wieder für 2 Monate Zündstoff sorgen.

Schade, dass es andere Personen nicht in der Form in den Medienrummel geschafft haben: Gerhard Schröders Beziehungen zu seinem Förderer Maschmeyer blieben zu seinen Amtszeiten ebenso unangetastet wie aktuell Merkels Stasi-Vergangenheit, bzw. die Achse von Lothar de Maziere zur Kanzlerin und seinem Sohn bzw. ihrem Verteidigungsminister. Selbst ihre allgemein bekannte Vergangenheit als "FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda" verblasst, gegen ein paar vorteilhafte Kredite des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten.

In jedem Fall würde auch ich gerne einmal Kai Diekmann auf die Mailbox sprechen, würde es aber nicht bei ein paar Empfehlungen für die morgige Ausgabe seines Käseblättchens belassen.

Aaron Thieme

Dienstag, 7. Februar 2012

Bart oder Uniform

Ein Jahr nach dem Sturz von Husni Mubarak steht Ägypten zwischen Gottesstaat und Militärdiktatur

Es sollte der große Wandel in Ägypten werden – zum ersten Mal in der Geschichte des durch Königen und Militärherrschern ausgebeuteten Landes fanden zwischen dem 28. November und 10. Januar freie Wahlen statt. Hoffnung auf einen demokratischen Wandel keimte in der Bevölkerung nach dem Arabischen Frühling auf. Nachdem sich jedoch die Umfrageergebnisse bewahrheiteten kehrte bei den Liberalen, die die Revolution angeführt hat, wieder Ernüchterung ein; blieben ihre Vertreter doch unter zehn Prozent. Die Mehrheit hingegen konnte die in der Revolution abwesende ehemalige Opposition der Muslimbruderschaft (Freiheits-und Gerechtigkeitspartei) mit 38% hinter sich wissen. Ebenfalls großen Rückhalt genießt die radikalislamistische Partei des Lichts (30%). Die religiösen Parteien stellen nun in der Zeit nach Mubaraks nationaldemokratischen Militärs die Mehrheit im Parlament.

Doch wie lässt es sich erklären, dass bei jeglichen freien Wahlen in der muslimischen Welt Islamisten die Mehrheit erringen? 1979 stimmte im Iran die Bevölkerung bei einer Volksabstimmung für eine theokratische Verfassung und 1992 löste der sich abzeichnende Wahlsieg der Islamischen Heilsfront bei den ersten freien Wahlen in Algerien gar einen so blutigen Bürgerkrieg zwischen Islamisten und Militärs aus, dass es heute kaum noch Stimmen gegen die aktuelle Militärregierung gibt. Kann sich Geschichte wiederholen?

Es ist unbestritten, dass in diesen Staaten die Religion in allen Lebensbereichen eine große Rolle spielen. Deshalb ist es in der Politik für Islamisten einfach, gewählt zu werden - unabhängig von ihrem Programm. Ihre politischen Ziele werden, da es sich um Islamistische Parteien handelt, in Einklang mit der Schari‘a gesehen, was nicht immer der Fall ist. Korruptionsaffären werden den „Brüdern“ vergeben. Besonders in ländlichen Gegenden mit niedrigem Bildungsstand, wo 60% der ägyptischen Bevölkerung leben, werden sie vom Volk als Religionsvertreter in der Politik gesehen und ihr humanitäres Engagement geschätzt. Das hohe Stammwählerpotential der Islamisten ist in etwa mit dem konservativer Parteien in Europa vergleichbar, wenn auch aus anderen Gründen.

Die jüngsten Ereignisse in Ägypten zeigen jedoch auch, dass das Militär noch immer Macht in Ägypten besitzt und, wie einst in Algerien, hart durchgreift. Demonstranten auf dem Hariri Platz werden von Einheiten des Militärrates niedergeknüppelt und nach einem Fußballspiel in Port Said kam es zu Gewalttaten gegen die liberalen Anhänger des Vereins Al-Ahli Kairo mit über 70 Opfern.

Es ist zudem unbestritten, dass Militärregierungen in der westlichen Welt als geringeres Übel gesehen und deshalb finanziell unterstützt werden. Mubarak schloss Frieden mit Israel, Präsident Bouteflika erlaubt dem amerikanischen Konzern Exxon Ölbohrungen in Algerien und der ehemalige tunesische Präsident Ben Ali unterhielt gute Beziehungen zur CIA.

Aufgrund der Stärke dieser beiden Politikströmungen musste die Hoffnung auf einen historischen Wahlsieg liberaler Kräfte und einer Demokratisierung eines arabischen Staates ein weiteres Mal begraben werden. So bleibt nur die Wahl zwischen demokratisch gewählten Bärten oder pro-westlichen Uniformen.

Nino Zebiri

Montag, 30. Januar 2012

Zur Situation des deutschen Bildungssystems

Ein Kommentar von Benjamin Schaller

Vergesst Erdöl, vergesst Kohle, vergesst den Euro - unsere wichtigste Ressource ist die Bildung. Die Bundesregierung weiß das, ihr sind aber gesetzlich die Hände gebunden. So schlingert das Bildungssystem durch Ungerechtigkeit und finanzielle Probleme.

Exportweltmeister. Unter diesem Schlagwort wird seit Jahren versucht, dem deutschen Wirtschaftssystem einen metaphorischen Siegesstempel aufzudrücken. Deutschland als Global Player auf dem internationalen Markt, der es versteht, qualitativ hochwertige und begehrte Waren anzubieten und diese gewinnbringend abzusetzen. Viele deutsche Unternehmen verstehen es, aus den gegebenen Ressourcen das Beste herauszuholen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, sollten Staat und Gesellschaft sich darauf konzentrieren, der wichtigsten aller Ressourcen endlich die Aufmerksamkeit und Behandlung zu schenken, die ihr zusteht – und die sie auch benötigt: Die Bildung.

Bildung bedeutet Chancen, Perspektiven, Fortschritt – für den individuellen Menschen wie für ein wirtschaftliches System. Sie bietet dem Einzelnen die Möglichkeiten zur freien Persönlichkeitsentfaltung, gibt der Gesamtheit die Voraussetzungen für technische wie gesellschaftliche Innovationen – und ist, anders als bspw. Erdöl, keiner natürlichen Begrenzung unterworfen. Dass dies so ist, muss auch die jetzige Regierung unter Kanzlerin Merkel einmal so gesehen haben – schließlich trägt der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP den Titel „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“. Tatsächlich enthielt die Regierungsvereinbarung auch einige vielversprechende Punkte. So versprach das neue Deutschland-Stipendium 8 % der Studenten die Aussicht auf finanzielle Rückendeckung vom Staat. 2011 wurde das Förderungsprogramm eingeführt – statt der anvisierten 160.000 profitieren aber derzeit nur 10.000 (0,5 %) der deutschen Studierenden davon. Das Erreichen der ursprünglichen Zielstellung wurde vorerst auf 8 Jahre (also sicherheitshalber in die folgende Legislaturperiode) verschoben.

Weitere Punkte des Koalitionsvertrags wurden teils erreicht (z.B. die Reformierung der ZVS), teils lassen sie auch auf sich warten (z.B. Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes). Der eigentliche Dorn im Auge vieler Kritiker des Bildungssystems wurde dagegen gar nicht erst im schwarz-gelben Pakt berücksichtigt: Bildung ist Ländersache - hier hat sich der Bund nicht einzumischen. Dies ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 durch ein Kooperationsverbot von Bund und Ländern schriftlich in aller Deutlichkeit festgesetzt. Natürlich geschah das im Interesse der Länder, die befürchten, ihr letztes bedeutsames Machtsegment abgeben zu müssen. Folge dieses Machtkampfes sind 16 Bildungssysteme in 16 Bundesländern, in deren Vergleich meist mehr signifikante Unterschiede als Gemeinsamkeiten zu erkennen sind. Ob Schüler nun eine sehr gute, gute, befriedigende, ausreichende, mangelhafte oder ungenügende Ausbildung erfahren, ist damit zu großen Teilen von dem Glück oder Pech abhängig, im richtigen oder falschen Bundesland aufzuwachsen. Zudem wird für viele schulpflichtige Kinder ein Umzug der Eltern durch die föderalistische Bildungsgestaltung zur Tortur. Neben den ohnehin auf sie einprasselnden sozialen Veränderungen ist auch im Schulalltag sehr viel Anpassungsfähigkeit gefragt. In einer Gesellschaft, in der häufige Arbeitsplatzwechsel beileibe keine Seltenheit sind, ist hier ein Entgegenkommen an die Familien gefragt. Dessen ist sich auch Bildungsministerin Annette Schavan bewusst. "Wir möchten die Vielfalt der Bildung, die teilweise auch auf regionalen Traditionen basiert, nicht in Frage stellen. Dennoch soll und muss aber eine Vergleichbarkeit gewährleistet und damit Mobilität ermöglicht werden", so die CDU-Politikerin - in einem Interview aus dem Jahr 2009. Getan hat sich seitdem wenig. Die Ministerin kann als zahnloser Tiger betrachtet werden, aufgrund der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Sachen Bildung steht ihr zwar das Brüllen, aber nicht das Beißen zu.

So brüllt sie in Form von Interviews weiter, und fordert aktuell: "Das Abitur aus Hamburg muss genauso viel wert sein wie das aus Bayern." Vielen Studenten im ersten Semester ist das derzeitige Dilemma aus dem Aufeinandertreffen mit Kommilitonen aus anderen Bundesländern bekannt. Die unterschiedlichen Lehrpläne führen zu Situationen, in denen einige Studenten in den Anfangsvorlesungen ihres Studiums an manchen Punkten unter-, an anderen überfordert sind - während die Studienkollegen aus anderen Bundesländern sich in der jeweils gegenteiligen Lage befinden.
Für die universitäre Bildung war der Föderalismus im Bologna-Prozess ohnehin seit jeher als Klotz im Bein zu betrachten. Die zugegebenermaßen schwierige Mission zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes wurde in Deutschland von jedem Bundesland mehr oder weniger gelungen zu meistern versucht. Daraus ergibt sich heute die paradoxe Konstellation, dass ein Hochschulwechsel von Hamburg nach Rom meist einfacher zu bewerkstelligen ist als zwischen Frankfurt und Mainz. So kommt auch Tigerin Schavan nicht umhin zuzugeben, dass "Bologna nicht an allen Hochschulen gut angelaufen ist". Dennoch sieht sie die Unireform "mit vielerlei Chancen verbunden". Dem stimme ich zu, trotz Anlaufschwierigkeiten ist das Vorhaben natürlich noch nicht zum Scheitern verurteilt. Die bürokratischen Hürden des Föderalismus werden aber auch die zukünftige Entwicklung eher bremsen als beschleunigen.

Eine weitere Problematik, die Bildungseinrichtungen durch den Föderalismus erfahren, ist im finanziellen Aspekt zu erkennen. Das Kooperationsverbot untersagt es dem Bund, Schulen und Hochschulen finanziell unter die Arme zu greifen, so dass diese auf die klammen Kassen der Länder angewiesen sind. Die Folgen beschreibt Thorsten Denkler in einer im August 2008 in der Süddeutsche Zeitung erschienenen Analyse: "Viele Schulen ähneln Bruchbuden. Putz blättert, es regnet durchs Dach, im Winter frieren die Kinder, im Sommer schwitzen sie. Kein Angestellter würde sich solche Arbeitsbedingungen gefallen lassen. 78,5 Milliarden Euro müssten sofort investiert werden, um alle Schulen auf einen halbwegs passablen Stand zu bringen, schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik." Ein aktuelles Negativbeispiel aus dem Hochschulbereich liefert die TU Dresden. Aufgrund von im bundesweiten Vergleich relativ geringen Zuwendungen des Freistaates Sachsen sieht Rektor Hans Müller-Steinhagen "bei weiteren Kürzungen Forschung und Qualität der Lehre gefährdet". Der MDR spekuliert gar über die Abschaffung einiger Studiengänge.

Die Bildung ist das wichtigste Gut unserer Gesellschaft. Sämtliche gesellschaftliche Errungenschaften, seien es technische Innovationen, Maßnahmen zum Umweltschutz oder Förderung sozialer Gerechtigkeit, beruhen auf Wissen, endstanden aus Bildung. Wie der Staat derzeitig mit diesem essentiell bedeutsamen Gut umgeht, ist grob fahrlässig, naiv und rücksichtslos. Oder, wie der Journalist Heribert Prantl den Bildungsföderalismus beschreibt: "Praktizierte Bürgerferne, [...] schikanös, [...] eine staatsrechtliche Spielform des Sadismus." Die Frage ist nun, wie weiter verfahren mit dem Problemkind Bildung? "Zentralismus ist nicht gleichzusetzen mit Gerechtigkeit", sagt Annette Schavan. Aber zumindest sollten die Länder erkennen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Bund in Bildungsfragen nicht in erster Linie als Angriff auf ihre Gesetzgebungskompetenz, sondern als Chance für diejenigen, die das Thema vordergründig betrifft - Schüler, Studenten, Auszubildende, Lernende jeder Altersklasse - zu betrachten ist. Aktuell hat die SPD-Bundestagsfraktion einen ersten Vorstoß zur Abschaffung des Kooperationsverbotes gewagt. Es wäre der Politik, der Wirtschaft und nicht zuletzt dem Volk zu wünschen, dass dieses Vorhaben in einen Erfolg mündet.

Langfristig betrachtet muss das Ziel sein, die vorhandenen Potentiale bestmöglich umzusetzen und mittels einer gerechten staatlichen Gestaltung jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, sich frei bilden zu können. Auch Freunde der Statistik würden es sicher gern sehen, würde Deutschland in einer der kommenden PISA-Studien einen Spitzenrang einnehmen. Bereits 2008 musste der Titel des Exportweltmeisters an China abgegeben werden. Zeit also, sich ein neues Ziel zu setzen. Was wäre da erstrebenswerter als: Bildungsweltmeister!

Samstag, 21. Januar 2012

Wahre Größe

Und so kommt es wie es kommen musste. Die deutsche Wirtschaft steigt kontinuierlich, trotz Wirtschaftskrise, fortwährend an. Vor allem die Verbraucher machen den Unterschied aus. Der Konsum von Gütern ist nicht auf den wohlhabenden Status zurückzuführen, sondern auf die Angst vor der Krise. Was ist mein Geld morgen noch wert? Angst vor der nächsten Inflation?

Zumindest bescheinigt man auch 2011 den deutschen wieder ein gutes Wirtschaftswachstum. Das statistische Bundesamt gab bei den Zahlen für 2011 bekannt, dass das Wirtschaftswachstum um 3,0 Prozent zugelegt hat. Werte, die nur 2006 und 2010 (jeweils 3,7 Prozent) getoppt werden konnten. Und trotz der von Wirtschaftsökonomen befürchteten Rezession zu Beginn des Jahres, scheint es den deutschen doch gut zu gehen. Das ist zumindest, was die Zahlen verraten ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,808419,00.html ).

Doch lässt sich aus der wirtschaftlichen Stärke auch automatisch der Spiegel für eine gesunde und lebendige Gesellschaft vorhalten?
Der Indikator für das Wirtschaftswachstum, nämlich das Bruttoinlandsprodukt, bezeichnet die Gesamtheit aller innerhalb eines Jahres hergestellten Waren und erbrachten Dienstleistungen einer Volkswirtschaft. Aber das BIP kann nicht weiter als Indikator für das Wohlergehen einer Gesellschaft dienen. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und dem tatsächlichen Wohlstand der Menschen muss radikal und neu überdacht werden.

Stattdessen sollte ein wesentlich aussagekräftigerer Indikator entwickelt werden, der das „reale“ Wohlbefinden der Bevölkerung misst und nicht etwa die wirtschaftliche Leistungskraft einer Volkswirtschaft.

Ein Beispiel für die Verblendung der Wirtschaftsstatistik sind Naturkatastrophen. Nach dem Tsunami in Südostasien oder auch der Atomkatastrophe in Fukushima folgte eine Reihe von internationaler und staatlicher Hilfen, wodurch das Wirtschaftswachstum sprunghaft angestiegen ist, das Wohlbefinden der betroffenen Menschen aber nicht.

Ein weiteres Problem ist die Frage der Nachhaltigkeit. Der Bau von Autobahnen, Staudämmen oder Industrieanlagen werden in der Statistik folgenlos als „Wachstum“ deklariert, während sämtliche Folgekosten, nämlich die Umweltschäden die deshalb entstehen, außer acht gelassen werden. Auch jede Form von „Arbeit“ die nicht auf dem Markt entgolten wird, sei es Kindeserziehung, ehrenamtliche Arbeit oder Pflege von Verwandten, ist maßgeblich für das Wohlergehen einer Gesellschaft wichtig, wird aber in keiner Form durch das BIP erfasst.

Das sind auch Aussagen, die von den beiden Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Amartya Sen kommen, die mit einem „Nettoinlandsprodukt“ ein aussagekräftigeres Bild abgeben wollen „Die Zeit ist reif dafür, dass sich unser Messsystem mehr mit dem Wohlergehen der Menschen als mit wirtschaftlicher Produktivität befasst.“

Auch sollte dadurch vermittelt werden, dass die Zufriedenheit und Lebensqualität der Menschen nicht mehr automatisch mit dem wirtschaftlichen Wachstum ansteigt. Wahre Größe zeigt sich dann doch an anderen Stellen.

Denny Neidhardt

Sonntag, 15. Januar 2012

Als es mir zu wulff wurde

Noch vor dem Jahreswechsel meinte der Bundespräsident seine bis dahin scheibchenweise herausgegebenen Informationen würden ihn schon retten und in einem Jahr sei alles vergessen.
Vergessen scheint der Bundespräsident a.D. in spe, dass er keine Leiche, sondern einen ganzen Friedhof im Keller hat, die für sich genommen jedes Kabinettsmitglied der Standbildregierung-Merkel das politische Genick brächen.

Genau wie die Medien, Die ZEIT, die Allgemeinheit und meine Wurstfachverkäuferin habe auch ich aufgehört mir zu merken, was genau wie chronologisch vorgefallen ist. Ab wann er meinte das Bauernopfer seines jahrelangen PR-Sprechers, der ihn politisch treu wie ein Sherpa zum Ministerpräsidenten und dann ins höchste Amt des Staates geführt hat, sei genug für einen Telefonausraster. Der BILD Krieg zu erklären. Ein weiterer besonders blöder Schachzug des Christian Wulff.


Als die Flugmeilen ins Gespräch kamen, wurde es mir zu wulff. („Zu wulff werden“: ein unerträgliches Maß an nicht unterhaltsamer Medienpräsens einnehmen.)
Müssen wir jetzt noch vier wulffe Jahre durchhalten bis wulff Wulffs Amtszeitende. Ein Endzeitendeszenario, das von mir nur durch dieses unfuckin unwulffsche Alternativende ersetzt werden kann:
Für die Zeit bis zum Ende der Amtszeit erklärt Frau Dr. Causa Merkel ein Moratorium über die Causa-Wulff bis die FDP die Parteienförderung aufgrund zu geringer Mitgliederzahlen verweigert wird und die politischen Probleme um die Standbildkanzlerin sich wieder einmal von selbst lösen.

Frau Bettina wird fälschlich des Hitler-Grußes beim polnischen Staatsbesuch in Berlin bezichtigt und kommt in U-Haft. Die VW-Anleger bekommen das Wulffsche Reihenhaus aus Freundeskrediten zugesprochen. Peter Zwegat erklärt der hochverschuldeten Patchwork-Familie, dass sie die Freunde ab sofort nur noch auf Staatskosten zu sich zum Übernachten ins Schloss Bellevue einladen sollen. Final zur Schuldenbekämpfung ziehen die Wulffs ins Dschungelcamp bei RTL.

Der Flug in der Einpropeller-maschine lässt den Präsidenten politisch unbeschadet in der neuen Urwaldresidenz landen, denn ein Upgrade mit Staatsmeilen ist in dem kleinen Flugzeug nicht möglich und die australischen Behörden haben versprochen ihn am Ende wieder den deutschen Steuerbehörden auszuliefern.
Wulff kämpft sich zurück in die Herzen der Bundesbürger durch seine offenen Reuebekundungen, und seine übertrieben ausgespielte Opferrolle, die er den Anrufen der kompletten BILD-Redaktion für die täglichen Dschungelprüfungen verdankt. Zusammen mit Guido Westerwelle knabbert sich der eingefleischte Überlebenskämpfer durch die Kangaroohoden.

Auch die wutentbrannten Entgleisungen und Kriegserklärungen in der TV-Box können dem schrulligen Ex-Eigenheimbesitzer nichts mehr anhaben.
Der Aufstieg des ehemaligen Präsidenten ist unaufhaltsam als Daniel Kübelböck ihm in einer Co-Produktion mit Dieter Bohlen die Hauptrolle in der Politikkomödie „Einer flog übers Eigenheim“ anbietet. Siegreich kehrt der Wuttelefonist Heim in das staatlich bezahlte 20m²-Appartment im Hannoveraner Süden.


Die BILD titelt am Ende des Madenwettessens groß vom Sieg des Dschungelpräsidenten und unter dem Falt rekelt sich Bettina mit dem vom Nochehemann so viel gepriesenen Tattoo als BILDGIRL. Vergessen ist der Drohanruf an die Redaktion und offiziell in der BAMS erzählt der Dschungelpräsident von der neugefundenen Redlichkeit und dem Wertesystem, von dem schon Angela Merkel fantasierte, als er noch in seinem langweiligen Reihenhausjob festsaß. Er spricht über seine neu gefundene Freiheit und wie sehr er sich für Exfrau Bettina und den Vorjahressieger Vincent Raven freut, die in der Schweizer Eigenheimberghütte der Geburt des gemeinsamen Nachwuchs Azrael-Corax Körner-Wulff-Raven entgegen fiebern.
Plötzlich Single entscheidet sich der Dschungelpräsident sich das neue Fernsehangebot anzunehmen und den begehrten Junggesellen in der RTL-Serie „Der Bachelor“ zu mimen.


Eine Causa-Merkel ist nie entstanden. Die betagte Elder Statesmännin versicherte dem Dschungelpräsidenten eine erstklassige Gesangskarriere unter der erfahrenen Anleitung des Musikproduzenten und Vorjahreszweitplazierten im Dschungelcamp Ailton. Merkel „ wiederhole gerne noch einmal, dass [sie] die Arbeit des [Dschungel]Präsidenten schätze“ und „glaub[t] er hat in den vergangenen Tagen und Wochen gezeigt, dass er auf viele [Dschungel]Fragen eine Antwort gegeben hat.“ Weiter sagt die Standbildkanzlerin, „Sollte es neue Fragen geben bin ich davon überzeugt, dass er sie genauso beantworten wird und deshalb hat meine Wertschätzung bestand und ich freue mich morgen auf den Neujahresempfang.“
Und so fängt die Geschichte an.

Matthias Morrkopf

Mittwoch, 4. Januar 2012

Fehlklänge im europäischen Konzert

Die EU erlebt mit der Eurokrise ihre erste wirkliche Prüfung seit dem Fall des Eisernen Vorhangs; besteht sie, kann sie stärker werden als je zuvor, andernfalls droht das Ende eines bisher einmaligen Experiments.
Die Szene war symbolisch für das Krisenmanagement der EU in den letzten Monaten: Nach einer langen Verhandlungsrunde während des EU Gipfels am 9. Dezember in Brüssel kommt der britische Premierminister David Cameron dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy entgegen und streckt die Hand zur Begrüßung aus. Dieser ignoriert ihn nur und wendet sich anderen Kollegen zu. Ähnlich unterkühlt sind die Beziehungen zwischen zahlreichen anderen EU Mitgliedsstaaten. So beschossen sich die Regierungen der EU am Rande des Gipfels gegenseitig mit Vorwürfen um von ihrem eigentlichen Problem abzulenken: jahrelange Vetternwirtschaft und Unterschätzung von Krediten, die die Weltfinanzkrise 2008 in eine Staatsschuldenkrise und Eurokrise verwandelt hat.

In Deutschland herrscht Wut auf Griechenland. Man möchte nicht für Schulden aufkommen die man selbst nicht verursacht hat. Frankreich kritisiert Deutschlands Blockade zu Eurobonds, Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen möchte am liebsten ganz aus dem Euro austreten, und Polens Außenminister Radoslaw Sikorski wirft Deutschland Unentschlossenheit vor.

Ziel des Gipfels war die Ausarbeitung eines neuen EU-Vertrages mit stärkeren Kontrollen des Finanzsystems und somit einer Stärkung des Euros gegenüber Spekulanten. Das „Nein“ von Großbritannien zu dem Vertrag demonstriert damit auch die Wiedererstärkung der Banken und die Ohnmacht der Politik. Irland, gerade erst durch den Eurorettungsregenschirm in sanfte Gewässer gebracht, gilt als potentieller Anhänger Großbritanniens bei einem „Nein“ zur EU Vertragsänderung. Immer mehr Staaten praktizieren Protektionismus und verschlimmern dadurch die wirtschaftliche Lage.

Ein eigener EU-Vertrag aller Staaten die Vertragsänderungen wollen, ein Nord-Euro, ein Ende des Euros. Alle Szenarien scheinen im Moment möglich. Jedoch geht es häufig auch um Eigeninteressen, anstelle das Land aus der Krise zu hieven. Merkels Blockade gegen Euro-Bonds beispielsweise ist aus makroökonomischer Sicht uneffektiv, weil Deutschland von der Wirtschaftskraft seiner Nachbarn und den daraus folgenden Exporten abhängig ist und von einer Pleite eines EU-Mitglieds betroffen wäre, wird aber von deutschen Unternehmern gefordert.

2012 nun steht Europa am Scheideweg. Der Euro hat nur eine Zukunft, wenn alle Staaten, die EU-Mitgliedsstaaten außerhalb der Eurozone eingeschlossen, auch in Krisenzeiten zusammenarbeiten, anstatt sich auf die kurzfristigen Vorteile des Protektionismus zu fixieren. Denn dieser Zusammenhalt bestimmt die Stärke des Euros als Leitwährung und schafft das so sehr benötigte Vertrauen der Märkte. Ein gemeinsames Überstehen der Krise, die die EU momentan spaltet, würde somit den Euro mehr stärken als je zuvor.

Für 2012 bessern sich Vorzeichen der Wirtschaft. Die USA erwarten2012 ein Wachstum von 2,5%, was man heutzutage als Aufschwung werten kann. Nun ist es an Europa sich wieder besser abzustimmen. Dann klingt das Konzert auch wieder fehlerfrei.

Nino Zebiri