Montag, 26. Mai 2014

Der nette Nachbar von nebenan



Sie sieht ja eigentlich ganz freundlich aus. Sie steht auf der Straße und geht offenherzig den Leuten entgegen, spricht ihnen Mut zu und verteilt Flyer. Marine Le Pen ist Vorsitzende der französischen Rechtsextremisten und Tochter jenes Jean-Marie Le Pen, der Gaskammern nur für ein Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs hält und der an die Ungleichheit der Rassen glaubt.

Er sei kein „Fremdenfeind, aber ein Franzosenfreund“, sagte er einmal. Ihre Partei, die „Front National“ (FN), hat, obwohl erst 1972 gegründet, ihre Wurzeln aus dem deutsch-französischen Vichy Regime, dass zwischen dem französischen Marschall Pétain und Hitler geschlossen wurde. Sie unterstützten Vorhaben die Kolonien zu erhalten und haben bis heute beste Beziehungen zur NPD und Pro Köln. Anders als die deutschen Kleinparteien ist die FN jedoch voll im französischen Parteiensystem integriert. 

Rückblende: 2002 standen die Präsidentschaftswahlen an. Frankreichs Wirtschaft boomt zu diesem Zeitpunkt nach 5 Jahren „Cohabitation“ mit einem konservativen Präsidenten Jacques Chirac und einem sozialdemokratischen Premierminister Lionel Jospin. Das ganze Land erwartet ein Kopf an Kopf Rennen zwischen den beiden um das Präsidentenamt. Jospin ist überzeugt mit seinen Wirtschaftszahlen und einem freundlichen Lächeln die Wahlen für sich entscheiden zu können. Er sollte sich jedoch täuschen. Es kommt zu einer Protestwahl aufgrund der starrsinnigen EU Politik der Koalition und anstatt Jospin, befindet sich Le Pen in der Stichwahl gegen Chirac, die dieser allerdings klar gewinnen konnte. Dennoch waren die 16% für Le Pen mehr als ein Ausrufezeichen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Landes.

Zu diesem einen Protest wird es wohl bei der nächsten Wahl voraussichtlich nicht kommen. Wie kann es jedoch sein, dass eine Partei, die sich offen zum Nationalismus und Xenophobie bekennt überhaupt die 5%-Hürde überschreitet? Offenbar liegt es an der Geschichte Frankreichs, eines der größten Agrarproduzenten Europas. Folglich hat das Land viele Landwirte, die fernab von jeglicher Globalisierung ihr täglich Brot verdienen. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU die seit 1962 Produktionssenkungen in der Landwirtschaft vorsieht traf die französischen Landwirte deshalb besonders. Die Hochburgen der EU-kritischen FN befinden sich deswegen auch in den eher ländlichen Gebieten der Provence und im Nord-Osten, eines der ärmsten Regionen Frankreichs.

Während Le Pen noch 1995 die Ausbürgerung von 3 Millionen Nicht-Europäern forderte, schlägt seine Partei heute einen gemäßigteren Ton an. Marine Le Pen versucht nach dem österreichischen Modell von Jörg Haider (der 1999 27% auf die rechtsextreme FPÖ vereinen konnte) die FN zu entdiabolisieren und mit Sozialpolitik bei enttäuschten Sozialdemokraten zu punkten. Die Stimmen der Konservativen hat sie schon: 50% aus dem Lager der regierenden UMP stimmt mit ihren Ideen überein.

Dabei zeigt sie immer wieder, dass sie auch einen ganz anderen Ton anschlagen kann, um ihrer Rolle als Tochter von Jean-Marie Le Pen gerecht zu werden: Ende 2010 warf sie Muslimen vor, dass mit ihren Gebeten auf der Straße, französisches Territorium besetzen werden würde. Das sie damit ankommt zeigen nicht nur die Umfragen, sondern auch die Wahlergebnisse. Bei den letzten Regionalwahlen konnte die FN 10% erreichen. Es sei doch eben ganz „normal“ seine Stimme der FN zu geben, sagt ein Großteil der Franzosen. Genauso „normal“ wie man eben konservativ oder sozialdemokratisch wählt.

Ebenfalls gleichgültig scheinen den Ungarn die neusten Entwicklungen ihres politischen Systems zu sein. Mit der absoluten Mehrheit im Rücken und von einer 15% starken faschistischen Partei (Jobbik) unterstützt, regieren die Ultrakonservativen um Präsident Viktor Orbán nach Lust und Laune. Zunächst wird die Pressefreiheit eingeschränkt, nun soll mit einem Notstandsgesetz die Verfassung ausgehebelt werden. Das würde endgültig die noch junge Demokratie der Ungarn zerstören. Ähnlich wie es die Pfeilkreuzerpartei 1944 nach der deutschen Besetzung Ungarns tat.

Im Gegensatz zu den westlichen Rechtsextremisten, die ihren Zuspruch und die zunehmende Angst vor Globalisierung und Überfremdung bekommt, ist es in Ungarn die Enttäuschung über die demokratischen Kräfte und die nostalgische Sehnsucht nach einem Nationalstaat im Sinne Österreich-Ungarns. Generell muss man heutzutage „Le Monde Diplomatique“ zufolge zwischen 3 rechten Parteitypen unterscheiden: die nostalgischen Neofaschisten (Ungarn), die Anti-System Parteien (Frankreich) und die „plötzlich auftauchenden“ Parteien (Niederlande). Der Aufschwung solcher Parteien liegt wohl hauptsächlich an der Angst, dass der Wohlstand, der heute erreicht wurde, morgen weg sein könnte, gemischt mit einer Unverbrauchtheit nationalistischer Parteien und Provokationen von Islamisten. Es liegt aber auch an der „Erstarrung“ demokratischer Kräfte im Angesicht der wiedererstarkten Rechten. Rechtsextrem: das ist heute nicht mehr Hitler, sondern der nette Nachbar von nebenan.

Nino Zebiri

Freitag, 10. August 2012

DNP-Auflösungserklärung

DNP
*01.01.2011 – †10.08.2012

Es geschah zu Beginn des Jahres 2011, als ich mich dazu berufen fühlte die deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenbranche zu attackieren. Weichgespült vom Boulevardjournalismus der Springer Publikationen, vertretend durch die Bild-Zeitung, mit einhergehendem Arrangement der Alice Schwarzer im Fall Kachelmann, brachten für mich das Fass endgültig zum Überlaufen. Was zunächst in der Idee wurzelte ein Männermagazin zu publizieren und einen Gegenspieler zu Alice Schwarzer darzustellen, entwickelte sich kurze Zeit später als studentisches Politmagazin. Inspiriert durch die Härte und Kompromisslosigkeit der Larry Flynt Publications (LFP), diente mir mein publizistische Vorbild zur Adaption bei der Namenswahl meines Magazins. DNP wurde geboren.

Heute, 20.Monate später, wird das Projekt DNP beendet.

Angetreten sind wir mit dem Ziel eine freie und unabhängige Presseberichterstattung zu gewährleisten. Die Leidenschaft für Print-Publikationen brachte einen kleinen Kreis von Schreibern zusammen, die ihre Vision vom ewig-lebenden Untergrundmagazin wahr werden lassen wollten. Gleichermaßen wollten wir unsere Leitmotive ehrlich-direkt-polarisierend nach bestem Gewissen vertreten. Das gelang an manchen Stellen gut, an anderen weniger.

Die Anfänge
Mit wöchentlichen Blogbeiträgen zum politischen Geschehen, äußerte sich das Redakteursteam sehr kritisch gegenüber dem Arrangement zwischen Alice Schwarzer und der Bild-Zeitung, man sprach sich gegen ein NPD-Verbotsverfahren aus und rechtfertigte Panzer-Lieferungen (Leopard 2) nach Saudi Arabien. Das alles geschah nicht mit der Absicht vorgefertigte Ideologien zu repräsentieren und ein politisches Spektrum zu vertreten, sondern für ein breit gefächertes und polarisierendes Meinungsspektrum, abseits des Mainstreams, zu sorgen und einzutreten. DNP konnte sich zu keinem Zeitpunkt darauf berufen erstklassige Journalisten in das Team zu holen und zu bezahlen. Der ideologische Wert unserer Beiträge war bei weitem wichtiger als ein journalistisch einwandfreier Text – viele haben das leider in ihrer Beurteilung nicht gesehen. Die Rechenschaft über geschriebene Inhalte, waren sich die Redakteuere selbst schuldig. Das betrifft sowohl die freie Themenauswahl, als auch die Art der Darstellung. Weg von redaktionellen Leitsätzen, gab es nur drei Fragmente, die in jedem Artikel wiederzuerkennen sein sollten: ehrlich-direkt-polarisierend.

Das erste Heft
Im Mai 2011 folgte dann die erste Print-Publikation (Der Kampf um die Meinungsfreiheit – von Larry Flynt bis Julian Assange) mit einer Auflage von 100 Exemplaren. Schnell wurde die erste Ausgabe zum Kultobjekt. Nicht zuletzt wegen der Schwarzer-Debatte im Zusammenhang mit der Kachelmann-Affäre, schaffte DNP den Durchbruch. In diesem Artikel spiegelte sich genau das wieder, wofür DNP stehen wollte. Sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und den Text an die Grenzen des erträglichen zu formulieren. Die erste Erleichterung setzte ein. Doch in den darauf folgenden Monaten klaffte immer wieder eine große Spanne zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Bis dahin war DNP ein geerdetes Magazin, jenseits von Verpflichtungen und gesellschaftlichen Normen. Doch der zunehmende Druck von außen und die große Erwartungshaltung was das zweite Heft betraf, schienen zu groß zu sein. Die Messlatte die wir uns selbst auferlegt hatten, schien nicht mehr zu überspringen zu sein.

Der zweite Anlauf
Kurz bevor DNP in sich implodierte, kam neue Unterstützung von außen. Der Blog kam wieder ins Rollen und erreichte über ein halbes Jahr lang 900 Seitenaufrufe pro Monat. Die Signale wurden von allen vernommen und schon bald formierte sich ein neues Team, auch mit altbekannten Gesichtern, das im Mai 2012 die zweite Print-Ausgabe (Die Afghanistan-Lüge) der DNP veröffentlichte. Das Feedback hielt sich in Grenzen, genauso wie die Verkaufszahlen. Spätestens jetzt wurde klar, dass der zeitliche Aufwand und die Begeisterung nicht mehr ausreichen würden, um das Magazin professioneller zu führen und es auf die nächste Ebene zu heben. Und das Projekt noch weiter künstlich am Leben zu erhalten, wäre unserer nicht würdig gewesen. Deshalb halten wir es lieber getreu nach Kurt Cobain: It's better to burn out than to fade away.
Deutschlands erstes und einziges Polit-Untergrundmagazin ist Geschichte.

Was bleibt?
Neben einigen noch nicht verkauften Heften wird von DNP wohl wenig, außer der Gewissheit übrig bleiben, dass die ideellen Werte von DNP immer im Vordergrund standen und diese auch gleichzeitig ein Band zwischen allen Beteiligten geschmiedet haben. Die Erfahrung die uns durch dieses Heft eint, kann uns niemand mehr nehmen. Vielleicht wird man sich in 10. oder 20. Jahren das Heft hervorholen und demütig, aber mit einem leichten lächeln, an diese Zeit zurückdenken.

Nachwort
Ich möchte allen Danken, die aktiv bei DNP mitgewirkt und publiziert haben. Auch allen Unterstützern, sei es finanziell oder ideell, möchte ich meinen Respekt aussprechen. Ihr habt DNP erst so weit getragen und zu dem gemacht was es war.

Zum Schluss möchte ich noch einigen Wegbegleitern speziell danken.
Noch bevor das erste DNP Heft fertig gedruckt war, gab mir das studentische hsf-Radio die Chance Werbung für mein Magazin zu machen. Dabei lernte ich Aaron Thieme kennen, der seit diesem Interview beim ISWI Talk ein wertvoller Input für DNP geworden ist.
Benjamin Schaller, den ich durch das Studium kennenlernte, war von der ersten Stunde an dabei und war, nicht zuletzt durch seine wertvollen und regelmäßigen Beiträge, ein konstanter Eckpfeiler bei DNP.
Ebenfalls danken möchte ich Nino Zebiri. Trotz der geographischen Entfernung hatte ich nie bedenken, dass ich mich auf Dich und Deine qualitativ sehr guten Auslandsbeiträge, verlassen kann.
Danke für Eure Hingabe und Freundschaft!

Venceremos!
Denny Neidhardt

Donnerstag, 19. Juli 2012

DNP Imagefilm + Zeitungsartikel + Homepage

Im Rahmen des Medienprojekts wurde ein DNP Imagefilm erstellt. Ein Dank gilt dem Produktionsteam um A.Reuther, M. Benß und B. Schaller.


Benjamin Schaller mit einem Artikel über DNP in der Thüringer Allgemeinen (TA):
http://ilmenau.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/leben/detail/-/specific/Ilmenauer-Student-als-Verleger-563886792

DNP ist jetzt auch mit einer neuen Homepage. In welchem Rahemn auf dem Blog oder der Homepage publiziert wrd, steht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht fest. http://dnp-magazin.de.vu/
Unten rechts befindet sich ein Banner, wo ihr die aktuelle Ausgabe der DNP online bestellen könnt!

Eure Meinungen zum medialen Aufrüsten sind in den Kommentaren gerne gesehen.

Venceremos,
No Excuses

Sonntag, 6. Mai 2012

Sport im Krisenherd? Differenzierung notwendig!


Die EU-Kommission um José Manuel Barroso hat ihren EM-Boykott bereits bekannt gegeben, deutsche Politiker behalten sich nach wie vor zumindest dessen Androhung vor. Die Haftbedingungen der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko erregen momentan die politischen wie medialen Gemüter, der inhaftierten Oppositionsführerin wird eine Aufmerksamkeit geschenkt, die sie – da sind sich selbst die Protestierenden einig – ohne die Fußball-EM keinesfalls bekäme. Menschenrechtsverletzungen geschehen nach wie vor bei weitem nicht nur in der Ukraine, für unsere westliche Welt scheinen sie aber lediglich dann in den Fokus zu rücken, wenn gerade ein großes Sportereignis im betreffenden Land stattfindet.

Es ist jedoch eine Differenzierung notwendig: Es gibt Fälle, in denen diktatorische Machthaber den Sport instrumentalisieren und zu Propagandazwecken einsetzen – historisch bestes Beispiel ist Olympia 1936, aus der jüngeren Vergangenheit ist das Formel 1 Rennen in Bahrain zu nennen. Die Situation in der Ukraine hat einen anderen Kontext. Die Europameisterschaft und die Vorgänge um Tymoschenko scheinen sich eher aus Zufall zu überschneiden, es drängt sich der Anschein auf, als sei Präsident Janukowytsch das turnierbedingte Augenmerk ganz und gar nicht recht. Insofern bewerte ich es durchaus positiv, dass durch das Sportereignis ein kritischer Blick auf die Situation in diesem Land geworfen wird – im Gegensatz zur Formel 1 in Bahrain, die sich zum Propagandawerkzeug des regierenden Monarchen hat stilisieren lassen.
Ob die mediale/politische Aufmerksamkeit und Boykottankündigen allerdings wirklich positiven Einfluss auf die ukrainische Diktatur nehmen wird, ist eine andere Frage. Und warum die öffentliche Wahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen so häufig vom Sport gelenkt werden muss, ebenso.


Benjamin Schaller

Montag, 23. April 2012

Lasst uns die Macht übernehmen


François Hollande war der strahlende Sieger des ersten Wahlgangs um das Präsidentenamt in Frankreich. Mit annähernd 29% fuhr er einen symbolisch wichtigen Erfolg ein und ebnete sich somit den Weg für eine absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.

Der wahre Sieger des ersten Urnengangs hieß jedoch Jean-Luc Mélenchon. Seine Kandidatur für die Linksfront kostete der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen entscheidende Stimmen im Arbeiterlager, die sie auf Augenhöhe mit Hollande und Sarkozy gebracht hätte. Als abtrünniger Sozialist der seine eigene Partei gründete, schaffte er es bei seiner ersten Wahl direkt auf 11,7%, die im Vergleich zu den ihm vorhergesagten 15% als enttäuschend wenig erscheinen. Kein anderer Kandidat hat es jedoch geschafft im französischen Wahlkampf mehr zu polarisieren. Mehr als 200.000 Anhänger konnte er für seine Rede am historisch symbolträchtigen Place de la Bastille versammeln. Sarkozy und Hollande kamen bei ihren Auftritten in Paris auf je weniger als 100.000. Er nahm das Programm von Marine Le Pen wie kein anderer Kandidat auseinander und offenbarte ihre Schwächen, gleichzeitig stellte er seine Kontrahentin so sehr bloß, dass diese sich in einem Rededuell im französischen Fernsehen vor laufenden Kameras weigerte mit ihm weiter zu diskutieren. Moderatoren warf er bei unbequemen Fragen vor ihm nicht richtig zuzuhören, oder er beantwortete diese mit bissigem Sarkasmus.

Sein Programm lässt sich in drei Punkten zusammenfassen: Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen das internationalen Finanzsystem und für das Inkrafttreten einer neuen Verfassung. Seine Parolen wie „Lasst uns die Macht übernehmen“, oder „Platz für das Volk“ überzeugten die Wähler, die in einigen Départements mit 23% für ihn stimmten. Somit konnten zum ersten Mal seit 1981 wieder zwei Kandidaten der Linken auf ein Wahlergebnis von über 10% kommen. Damals war es der Kandidat der Kommunistischen Partei, die später eine Regierung mit den Sozialisten unter Mitterrand bildete.

Am Wahlabend zeigte sich Jean-Luc Mélenchon kämpferisch. Er habe recht behalten mit der Wichtigkeit seiner Kampagne gegen Marine Le Pen. Nun müsse die Linksfront ihren Weg fortsetzen und ihre gewonnene Macht gegen ein von Merkel und Sarkozy dominiertes Europa und für mehr Einkommensgleichheit einsetzen. Abschließend rief er seine Wähler auf sich für François Hollande zu mobilisieren, wie sie es für ihn getan hätten. Das Ende der Herrschaft des Regenten Sarkozy?

Nino Zebiri

Donnerstag, 12. April 2012

Afrika feiert Sambias Wiederauferstehung


Es war der 27.April 1993 als ein Flugzeug nahe Gabun in den atlantischen Ozean stürzte. Ein tragischer Unfall, der afrikaweit für Aufsehen sorgte. Denn an Bord befanden sich 18Nationalspieler Sambias und Verbandsfunktionäre auf dem Weg zum Auswärtsspiel im Senegal. In Libreville, der Hauptstadt Gabuns, wurde das Flugzeug noch aufgetankt und versank, nachdem ein Triebwerk Feuer fing, kurz darauf im Meer.

Am 12.Februar 2012 stand erneut Sambias Nationalmannschaft in jenem Libreville im Mittelpunkt: sie holte 19 Jahre nach dem "Gabon Air Disaster" erstmals den kontinentalen Titel. Der Sport schrieb schon immer seine eigenen Geschichten, aber diese ist definitiv einzigartig. Dabei ging Sambia als Underdog in das Turnier, schlug im Turnierverlauf die Favoriten Ghana (Halbfinale) und die Elfenbeinküste (Finale). Letztere in einem dramatischen Elfmeterschießen. Klingt nach einem kleinen Fußballwunder, sah aber ganz anders aus als Griechenlands Euro-Helden 2004. Ganz einfach zu sehen an einem kleinen Beispiel: es läuft das Elfmeterschießen im Finale -die Situation größter Anspannung und Nervosität. Die Spieler stehen - für gewöhnlich - unruhig am Mittelkreis und wissen nicht wohin mit sich. Sambias Spieler knieten im Mittelkreis, sangen Arm in Arm gemeinsam als ihr Mannschaftskollege zum alles entscheidenden Strafstoß anlief.

Kurz darauf singt ganz Sambia: Glaube, Gefühle und so etwas wie "Spirit" liegt in Afrika nicht nur beim Fußball in der Luft. Ihr Trainer Herve Renard, als Franzose eigentlich nicht besonders nah dran am afrikanischen Lebensgeist, trägt seinen verletzten Spieler Joseph Musonda zum Spielerkreis, der mal wieder in einen der rhythmischen Lieder ihrer Heimat vertieft ist und für das Wunder von Libreville dankt. Bilder, die nicht um die ganze Welt gehen, obwohl EuroSport das Duell live überträgt. Aber Afrika ist fernab und was dort passiert, sei es im Sport, der Kultur oder der Politik flimmert nur selten über die deutschen Fernseher.

Bestes Beispiel ist Finalgegner Elfenbeinküste. Im Frühjahr brauchte es ein halbes Jahr Mord und Totschlag, bis die Präsidentschaftswahl ein paar Zeilen am Rande des deutschen Blätterwaldes bekam. Währenddessen bangte man doch zu sehr mit den Ölvorkommen in Nordafrika und den beliebten Reisezielen am Nil und dem Mittelmeer. "Was scheren mich ein paar erschossene Farbige, wenn uns die Araber auf Lampedusa die (europäische) Tür einrennen?", so schien der Medien-Tenor zu lauten. Über so gut wie alle politischen Vorgänge Afrikas ist bestenfalls ein Dreizeiler in den größten Tageszeitungen zu finden, während jeder Schachzug bei der Kandidatenkür für die Präsidentschaftswahl der USA eine Sondersendung fordert. Dabei ist zum Beispiel Gabun, gemeinsam mit Äquatorialguinea Ausrichter des Afrika-Cups 2012, 1000km näher an Deutschland als Washington DC. Es leben mehr als doppelt so viele Afrikaner, knapp eine halbe Million, wie

US-Amerikaner in der Bundesrepublik.

Es scheint fast ein ganzer Kontinent verdammt dazu, mit Ignoranz des Westens gestraft zu werden und lediglich alle zwei Jahre zum African Cup of Nations seine Seele ein paar versprengten Fußballbegeisterten zu öffnen. Wir verpassen einen überaus lebendigen Kulturkreis. Wer doch etwas mehr als nur BBC-Dokumentationen der Serengeti erfahren will, muss in alternativen Programmen suchen. Seit Jahren sendet z.B. der freie, nicht kommerzielle Rundfunksender "Radio Frei" aus Erfurt aller zwei Wochen eine Sendung mit dem passenden Namen "African Spirit"; von Afrikanern für alle Interessierten.

Durch die Umstellung von gerade auf ungerade Jahre findet der nächste Afrika-Cup bereits 2013 in Südafrika statt. Und da bleibt genug Zeit bis zum 13.Januar, um mehr über unseren Nachbarkontinent zu erfahren. Denn Afrika ist nicht bloß "Waka, waka". Sambias Landeshauptstadt hat fast so viele Einwohner wie München, doch wer kennt hierzulande ihren Namen?



Aaron Thieme

Samstag, 31. März 2012

Wachstum statt Moral?

Wenn man sich einmal für eine Bank entschieden hat, ist diese Beziehung oft stabiler als so manche Ehe. Trotzdem sollte man hin und wieder prüfen, ob man noch glücklich mit ihr ist. Denn die Antwort lautet nein – falls man Kunde der Deutschen Bank ist.


Auf der Vollversammlung der Deutschen Bank sorgte Barbara Happe 2011 für Aufsehen. Die Aktionärin und Vertreterin des Naturschutzverbandes urgewald e.V. klagte dort die Unternehmenspolitik des Bankhauses an, genauer: Sie klagte über Beteiligungen an Geschäften mit international geächteten Streubomben. Um die Aussage zu unterstreichen, sprach ein verkrüppelter Mann, selbst Streubombenopfer aus Serbien, vor den versammelten Gesellschaftern. Der Auftritt zeigte Wirkung. Josef Ackermann versprach schließlich im November letzten Jahres, man werde die Geschäfte mit den betreffenden Waffenherstellern einstellen.


Ist das schon Grund genug, die Bank zu wechseln? Vielleicht nicht, sieht es doch nach einem Erfolg, nach einer Änderung in der Unternehmenspolitik aus. Die Finanzierung von Streubomben ist allerdings nicht der einzige Fleck auf der weißen Weste der Deutschen Bank. Es kommen noch eine Reihe weiterer verwerflicher Geschäfte hinzu. Ganz abgesehen davon, dass die Deutsche Bank ihr Versprechen gebrochen hat und neue Geschäfte mit Streubombenherstellern einging (was Ackermann öffentlich frech leugnete), bleiben Beteiligungen am Waffenhandel mit Diktatoren, am schmutzigen Abbau von Uranerz in Südafrika und an moralisch verwerflichen Spekulationen auf Lebensmittel unerwähnt.


Wie verteidigt das die Deutsche Bank? Jürgen Fitschen, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, ließ dazu auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden vernehmen: „Wer will denn schon kein Wachstum?“ Die Legitimation liegt also – nach der sterbenden marktliberalen Logik – beim Kunden, dessen Wünsche erfüllt werden sollen. Die Deutsche Bank? Unschuldig.


Fitschen unterstreicht diesen Wahnsinn, indem er dem Kunden die Pistole auf die Brust setzt: Wer sich nicht aktiv und aus eben solchen Gründen vom Unternehmen abwende, sei offensichtlich einverstanden mit der Unternehmenspolitik.


Die Entscheidung, wirklich etwas zu ändern, liegt letztlich also wirklich beim Kunden der Deutschen Bank. Bei ihm liegt auch die Verantwortung, ja sogar die Pflicht, sich zu informieren, was er mit seinem Geld unterstützt.
Wenn dieser sich nun die Frage stellt, ob er die Bank wechseln soll, so findet er die Antwort beispielsweise bei der GLS-Bank. Deren Slogan: Die Verantwortung fürs Geld kann man am Bankschalter abgeben, muss man aber nicht.


Florian Sulies